Der Verein LEBENSZEICHEN! Gesellschaft für bedrohte Völker hat während drei Schuljahren vier Kinder im Waisenprogramm «Orphan Education Program (OEP)» der Stiftung Himalaya’s Children unterstützt. Das Programm wurde im Jahr 2016 lanciert, um das Leid der Kinder aus der Region Gorkha zu mildern, welche beim verheerenden Erdbeben im April 2015 schwer getroffen wurde. Gestartet hat das Programm damals mit rund 30 Kindern. Schulplätze wurden an Kinder vergeben, deren Familien beim Erdbeben schwer getroffen wurden. Nicht alle Kinder sind daher Waisen, viele haben aber nur noch einen Elternteil und alle verbindet, dass sie in ihrem jungen Leben schon großes Leid erlebt haben.
Zu unserer großen Freude haben sich die Kinder schnell in ihrem neuen Zuhause eingelebt. Es war und ist berührend zu sehen, wie die Kinder sich gegenseitig helfen. Ganz selbstverständlich unterstützen die älteren Schüler und Schülerinnen die jüngeren. Helfen da und dort, damit es jedem Kind wohl ist. So veränderten sich im Laufe der Zeit auch die Aufgaben der beiden Hausmütter. Nurmaya, eine der ersten beiden Hausmütter unterrichtet heute zusätzlich in der Nursery-Klasse und hat so einen sehr engen Kontakt zu unseren jüngsten OEP- Studenten. Eine der Reinigungsdamen stammt ebenfalls aus der Region Gorkha. Auch sie ist den jüngeren OEP-Studenten eine Stütze. Spricht sie doch denselben Dialekt wie die Kinder.
Seit Mai 2022, zum Start des Schuljahres 2022/23, profitieren insgesamt 43 Kinder unter dem «Orphan Education Program» von einer Schulbildung. Für das laufende Schuljahr wurden sechs weitere Kinder in das Programm aufgenommen.
Am 24. März 2020 verhängte die nepalesische Regierung eine komplette Ausgangssperre. Anders als viele Schulen, konnte die Great Compassion Boarding School noch vor dem Lockdown die Prüfungen abschliessen, sodass alle Kinder das Schuljahr 2019/2020 «regulär» abschliessen konnten. Danach machten sich die Kinder auf den beschwerlichen Weg zurück in ihre Dörfer, wo sie während des gesamten Lockdowns bei ihren Familien oder Verwandten blieben.
Zu dieser Zeit ahnte niemand, dass der Lockdown der Schulen ganze zehn Monate dauern würde und die Kinder die ganze Zeit bei ihren Familien ausharren werden müssen, bis sie endlich wieder nach Pokhara reisen konnten. In den abgelegenen Dörfern gab es für die Kinder auch keine Möglichkeit einem Online-Schulunterricht zu folgen. Sie verpassten so fast ein ganzes Schuljahr. Ende Dezember 2020 kamen die Kinder an die Schule zurück und im Januar 2021 konnte an der GCBS, sowie an allen anderen Schulen des Landes, der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden. In der Folge entschied das Ministerium für Bildung, dass das Schuljahr NICHT wiederholt wird. Dieser Entscheid stimmte uns sehr nachdenklich, hatten die Kinder doch fast das ganze Schuljahr verpasst.
Leider waren die Öffnungen nicht von langer Dauer. Im April 2021 wurde erneut ein Lockdown ausgerufen und alle Schulen wurden geschlossen. Die GCBS durfte den Schulbetrieb vorerst weiterführen, weil der Kontakt nach Aussen minimal ist und die Hygienevorschriften sehr gut eingehalten wurden. Daraufhin hat die Schulleitung der GCBS entschieden, die Kinder aus dem «Waisenkinder-Programm» der Klassen 1-5 in die GCBS-Klassen im Schulhaus «Sedibagar» zu integrieren. Die meisten älteren Kinder hatten die Möglichkeit vom Studentenheim aus an Online-Kursen teilzunehmen. Weil sich die Covid-19 Situation weiter zuspitzte, musste die Schule auf Anweisung der Behörden Anfang Juli 2021 ebenfalls schliessen.
Am 17. September 2021 durften die Schulen nach dem 2. Schul-Lockdown endlich wieder öffnen. Die Kinder reisten aus ihren Dörfern zurück an unsere Schule. Zum Ende des zweiten Lockdowns waren die Strassen nach Gorkha infolge schwerer Regenfälle nicht passierbar. Daher gab es bei den jüngeren OEP-Studenten Rückreiseverzögerungen. Die größeren Kinder, welche noch an der FEWA-Schule sind, blieben für den Fernunterricht in Pokhara und waren so nicht von den Rückreiseschwierigkeiten betroffen.
Für viele Schüler war es eine sehr schwierige Zeit. Vor allem bei den jüngeren Kindern hat die «schulfreie» Zeit Spuren hinterlassen.
Nun da der Schulbetrieb wieder seinen geregelten Lauf nimmt, ist auch die Tagesstruktur der Kinder wieder so wie sie sie von früher kannten. Täglich werden die Kinder um 06.00 Uhr geweckt. Von 06.30 – 07.30 Uhr finden sie sich zum morgendlichen Selbststudium (Aufgabenstunde) ein. Um 07.45 Uhr versammeln sich dann alle zum Morgengebet und anschliessendem Frühstück. Von 09.10 – 12.35 Uhr findet der
Vormittagsunterricht statt und nach einer Mittagspause geht es von 13.45 – 15.45 Uhr mit dem Nachmittagsunterricht weiter. Um 16.15 Uhr gibt es eine Pause, wo die Kinder sich auch draussen etwas austoben können. Ab 17.30 – 18.30 Uhr findet das gemeinsame Selbststudium statt, bevor es um 18.45 Uhr das Nachtessen mit vorangehendem Abendgebet gibt. Um 20.00 Uhr ist es für die Kinder Zeit in ihre Zimmer zu gehen und zu schlafen.
Silpa vor Jahren wurde in die Vorschule im Internat von Fewa aufgenommen. Ihre Familie ist groß, es gibt insgesamt sieben Mitglieder: Vater, Mutter, zwei ältere und zwei jüngere Schwestern. Ihr Vater ist körperlich eingeschränkt und kann nicht gut gehen. Trotzdem arbeitet er ohne Rücksicht auf seine Beeinträchtigung. Die Familie hatte bisher einen kleinen Teeladen, um ihr Leben zu bestreiten. Leider mussten sie diesen zugunsten eines neuen Strassenausbaus aufgeben und waren so gezwungen, den Ort zu verlassen. So suchten sie ihr Glück nun wieder in der Landwirtschaft . Der Vater kann jedoch keine harte Arbeit verrichten, so dass es fast unmöglich ist, wesentlich zur Finanzierung der Familie beizutragen. Sie besitzen kein eigenes Ackerland, und müssen nun täglich harte Arbeit auf den Feldern verrichten.
Silpa ist ein fröhliches und aktives Mädchen. Sie hat viele Freundinnen und liebt es mit diesen zusammen zu sitzen und zu plaudern. Gerne macht sie auch Seilspiele (z. B. Seilhüpfen) oder spielt Federball. Silpa geht gerne zur Schule und erledigt ihre Aufgaben pflichtbewusst. Sie besucht derzeit die 4. Klasse an der GCBS.
Kisan ist ein stiller, eher in sich gekehrter Junge. Er liebt es zu zeichnen und spielt auch gerne mit seinen Freunden Federball. Auch bei Kisan haben die durch Covid-19 verursachten Schulunterbrüche Lücken hinterlassen. Er repetiert derzeit die 3. Kasse an der GCBS. Im Wissen um seine linksseitige Hörschwäche wurde abgeklärt, ob diese allenfalls schlimmer wurde. Dies scheint glücklicherweise nicht der Fall zu sein. Wir hoffen, Kisan kann vom zusätzlichen Jahr profitieren und seine Lernlücken schliessen.
Ritam ist ein quirliger Junge, welcher das Herz am rechten Fleck trägt. Er ist gerne draussen und liebt es, mit seinen Freunden Fussball zu spielen. Die durch Covid-19 verursachten Schulunterbrüche haben seinen Lernerfolg beeinträchtigt und er hatte zunehmend Mühe, dem Schulstoff zu folgen. Dadurch ließ auch seine Lernmotivation nach. Obwohl er gegen Ende des Schuljahres wieder voller Enthusiasmus am Unterricht teilnahm, blieb seine Jahresleistung so tief, dass er die 4. Klasse wiederholen muss. Die ersten Monate des laufenden Schuljahres zeigen, dass Ritam seine Freude am Lernen wieder gefunden hat und seine Leistungen zu verbessern.
Mabin ist ein aufgestellter Junge und er hat im Juni 2022 sein 10. Schuljahr abgeschossen. Aus eigener Initiative und mit Unterstützung seiner Familie hat sich Mabin für das neue Schuljahr an einem College in Kathmandu beworben und dort einen Platz erhalten. Er wird in Kathmandu bei seiner Schwester wohnen. Nach mehreren Jahren im «Internatsbetrieb», wo die Kinder viele Wochen ohne ihre Familien sind, ist es für Mabin wunderschön, dass er nun wieder täglich bei einem Teil seiner Familie sein kann. Es erfüllt uns mit Zufriedenheit zu sehen, dass die Familie zusammenhält und aus eigener Kraft neue Lösungen für die weitere Schulbildung gefunden hat. Da nun ein Platz „frei“ geworden ist, haben wir beschlossen ein neues Kind zu unterstützen!
Binita Gurung ist sieben Jahre alt und kam im Mai 2022 an die Schule. Sie besucht derzeit den Upper Kindergarden an der Great Compassion Boarding School. Anfänglich war sie etwas scheu und zurückhaltend, hat sich aber in der Zwischenzeit gut in die «GCBS-Familie» eingelebt.
Binita ist ein Einzelkind. Ihre Eltern stammen aus Lapu in der Region Gorkha, welche beim Erdbeben 2015 schwer getroffen wurde. Sie lebten als einfache Bauern ein sehr bescheidenes Leben. Der Vater hatte seit längerer Zeit zunehmende Lähmungserscheinungen und die Mutter schaffte es kaum noch, die Familie über Wasser zu halten. Die genaue Ursache für die Lähmungen war leider, wie so oft in Nepal, nicht bekannt und er ist kurz nachdem Binita im Mai 2022 an der Great Compassion Boarding School eingetroffen ist, verstorben. Lama Ngawang konnte der Mutter in der Zwischenzeit eine Arbeit als Zimmermädchen in einem kleinen Hotel in der Region Mustang vermitteln. Sie ist sehr dankbar für diesen Job, welcher ihr ein kleines Einkommen sichert.